Orgel vor der Restaurierung
Vor der Restaurierung

Die historische Orgel von St. Michael in der Wachau


ist das einzige größere Orgelwerk im gesamten österreichischen Bundesgebiet mit original erhaltener Spielanlage aus der Rennaissance. Das - aus diesem Grunde - "Orgelbaugeschichtliche Dokument" muss bald nach dem 30-jährigen Krieg (ca. 1650) in der wuchtigen Wehrkirche St. Michael aufgebaut worden sein ("Zettel" im Inneren der historischen Balganlage), der Erbauer- aus dem Einflußbereich der sogenannten "Passauer Orgelschule" - ist unbekannt.

Nach "Aufhebung" der Pfarre St. Michael durch Kaiser Josef II. im Jahre 1784, verfiel das Instrument völlig und war bis Restaurierungsabschluß und feierlicher Übergabe am Michaelstag, den 29.9.1985, jahrzehntelang unspielbar und musikalisch unbekannt.

Heute ermöglicht dieses wertvolle Instrument wichtige Rückschlüsse auf die Technologie und musikalische Ideologie des Orgelbaues der späten Rennaissance.

Von musikalischer Besonderheit ist die Tatsache, dass innerhalb der klanglichen Konzeption nicht nur ein Manuel-Sub-Baß (von C - H) aufscheint, sondern auch Reste hölzener Flötenregister sehr wertvoller Fertigungsmanier aufzufinden und rekonstruierbar waren.

Als Vorbild für die Mensurierung des fehlenden Pfeifenbestandes in Zinn und Blei sowie der neuen Prospektpfeifen dienten Pfeifenreste der Rennaissanceorgel, welche im Schutt des verfallenen Werkes vorgefunden wurden. Sämtliche neugefertigten Metallpfeifen sind in historischer Bauweise ausgeführt und von "Hand gedünnt". Diese klanglich sehr entscheidende Praxis der Pfeifenherstellung wurde bis in das 19.Jahrhundert hinein gepflegt und erst durch den neuzeitlichen Maschinenhobel vergessen.

Trotz der wenigen original erhaltenen Pfeifen wurde eindeutig die ursprüngliche Stimmtonhöhe ermittelt, welche einen Halbton über der heutigen Normalstimmung liegt und dem damaligen musikalischen Gebrauch entsprechend mit "Chorton" bezeichnet wird. Auf dieser Grundlage wurde im Rahmen der Restaurierung das Instrument "mitteltönig temperiert", eine uns wenig bekannte Stimmung der Rennaissance, welche die Interpretation frühester Orgelmusik besonders gut zu realisieren vermag. Ohne Übertreibung darf die historische Orgel von St. Michael in Hinblick auf musikalische Wirkung und Ausdrucksmöglichkeit als einzigartige Rarität in der österreichischen Orgellandschaft betrachtet werden.

 

(Dr. Otto Biba, Konsulent im Auftrag des Bundesdenkmalamtes)